Anlässlich des 80. Jahrestages des feigen, vertragsbrüchigen Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion am 22.Juni 1941 gedachten auch am Ehrenmal in Klosterhäseler (Burgenlandkreis) Mitglieder der Partei DIE LINKE aus dem gesamten Kreisverband gemeinsam mit weiteren Bürgerinnen und Bürgern der über 27 Millionen Opfer des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Völker der UdSSR.

Bewegend waren die an die Anwesenden gerichteten Worte Tamara Mischs, Mitglied des VVN-BdA in Sachsen-Anhalt, die auch die würdige Wiederinstandsetzung des Ehrenmals für die zu Tode gekommenen sowjetischen Kriegsgefangenen in Klosterhäseler initiierte.

Tamara Misch war als Kind Augenzeugin des Kriegsbeginns in ihrer westukrainischen Geburtsstadt Podhajce.

Sie berichtete:

„Die Ukrainer gehörten zu den ersten Opfern des Überfalls auf die Sowjetunion. Ich lebte zu dieser Zeit in der Ukraine, in der Stadt Poghajce, als Kind mit meinem Vater, meiner hochschwangeren Mutter und meinem Bruder. Wir lebten am Rande der Stadt Podhajce. Podhajce ist eine kleine Stadt in der Westukraine mit damals etwa 14 000 Einwohnern, davon 4 000 Juden.

Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Vater im Sommer auf dem Leiterwagen durch den kleinen Fluss des Ortes gefahren bin in im nahe liegenden Wald Beeren gesammelt habe. Und erinnere mich, wie die Stadt brannte. Ich war 1941 fünf Jahre alt. Da stehe ich mit meiner Mutter am Stubenfenster und wir sehen beide entsetzt, wie unter uns die Stadt lichterloh brennt.

Voller Angst drücke ich mich an meine Mutter. Heute weiß ich, dass zu Kriegsbeginn 1941 unsere Stadt bombardiert wurde und dass dabei auf dem Bahnhof Benzinwaggons getroffen worden sind.

Der Zeitzeuge Baruch Milch, er war ein jüdischer Arzt aus Podhajce, beschreibt den Überfall der Wehrmacht folgendermaßen: „Die Bomber mit den Hakenkreuzen auf ihren Schweifen beschossen erbarmungslos die Innenstadt. Das Tosen ihrer Motoren brachte die Erde zum Vibrieren. Menschen liefen umher wie Verrückte. Die deutschen Flugzeuge griffen in Wellen an und verursachten eine große Zerstörung. Ukrainische Nationalisten nutzten die neue Situation und ermordeten Juden. Gewalttätige Horden trieben die Juden in die Synagoge und verbrannten sie bei lebendigem Leibe. Äxte schwingende Ukrainer brachen in Häuser ein, verletzten und töteten Juden.“

Auch ich erinnere mich an ein besonders schreckliches Erlebnis. Ich musste mit ansehen, wie mein Vater durch einen Schuss in den Kopf erschossen wurde. Von einer Zeitzeugin dieser Zeit erfuhr ich, dass die Deutschen nach ihrem Einmarsch die Häuser nach sowjetischen Funktionsträgern abgesucht  und aufgespürte Personen sofort erschossen haben. Vielleicht war mein Vater einer von diesen Personen. Später erfuhr ich vom örtlichen Historiker, dass die erschossenen Personen in der Aschengrube der Ziegelei verbrannt worden sind.

Mit meiner Mutter kam ich in ein Lager. Ich hatte zwei Brüder. Die Mutter lag eines Tages dort auf dem Boden. Ich muss 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein. Ich spürte, dass mir meine Mutter etwas Wichtiges sagen wollte. Ich beugte mich zu ihr runter und Mutter redete hastig auf mich ein. Was sie alles gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Mir hat sich nur eingeprägt, dass sie sagte: Kümmere dich um deine Brüder! Ich habe es so verstanden, dass ich jetzt an ihre Stelle treten muss, weil sie für uns nicht mehr da sein kann. Meine Mutter wurde weggebracht und ich sah sie nie wieder.

Wir Kinder kamen als gesunde, und weil wir unter 10 Jahre alt waren, zur Umerziehung und Eindeutschung ins sogenannte SS-Erholungsheim, das von einer Frau aus Bayern geleitet wurde. Im Heim durften wir Kinder uns nicht in unserer Muttersprache unterhalten, mussten deutsch sprechen und deutsche Lieder singen lernen. Wir bekamen Schimpfe und Prügel, wenn wir uns nicht an ihre Verbote hielten, Schläge ins Gesicht, Essensentzug oder heftige Schläge am Körper, dass Wunden entstanden.

Unsere Identität wurde verändert. Wir behielten nur unsere Vornamen. Geburtsort und Geburtsdatum wurden verändert. Wir bekamen einen deutschen Familiennamen. Keine Elternnamen wurden genannt. Wir wurden zu Findelkindern erklärt. Deshalb weiß ich nicht, wer meine Eltern sind.

Wir Geschwister hatten noch einen sehr langen und schweren Lebensweg vor uns. Und alles das kam über uns seit dem Überfall der Wehrmacht und des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion am 22.Juni 1941.“

 

Siehe auch: https://www.volksstimme.de/amp/sport/zeitzeugin-tamara-misch-rassenwahn-der-nazis-reisst-1943-ihre-familie-auseinander-393536

 

Peter Kroha, Sprecher der Stadtorganisation Naumburg/Saale und Stadtrat, würdigte in seiner anschließenden Rede den heldenhaften Abwehrkampf und dankte in seiner Rede und im Namen der Anwesenden den Soldaten der Roten Armee für den Sieg und die Befreiung auch des deutschen Volkes vom Faschismus.