Neues Gutachten zum Fall Oury Jalloh macht Selbstmordthese unhaltbar – SPD muss Weg für Untersuchungsausschuss frei machen

Henriette Quade
PressePresserklärungen DIE LINKE. im Landtag Henriette Quade

Am 3. November wurde in Berlin von der Initiative Oury Jalloh, unter Beteiligung der Internationalen Unabhängigen Kommission zum Tod von Oury Jalloh, ein neues Brandgutachten vorgestellt. Dazu erklärt Henriette Quade, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt:

»Der britische Brandsachverständige Ian Peck hält es, laut seinem in der letzten Woche vorgestellten Gutachten, für sehr wahrscheinlich, dass eine brennbare Flüssigkeit über Oury Jalloh gegossen wurde und diese absichtlich entzündet wurde. Seine Einschätzung basiert auf Versuchen, die in einem detailgetreuen Nachbau der Zelle Nr. 5 des Dessauer Polizeireviers, in der Oury Jalloh gefesselt war und starb, durchgeführt wurden. Darin wurde versucht, ein Brandbild zu erzeugen, das dem in der Zelle entspricht.

Ein diesem Brandbild entsprechendes Ergebnis konnte laut Gutachten nur mit der Verwendung von Benzin als Brandbeschleuniger erzielt werden. Das passt zu einem fachradiologischen Gutachten aus dem Jahr 2019 und zu toxikologischen Gutachten, auf das die Initiative verweist. Die toxikologischen Gutachten weisen darauf hin, dass Oury Jalloh mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bei Bewusstsein gewesen sein kann, als das Feuer ausbrach. Hinzu kommt, dass auch der Bewegungsradius, den Oury Jalloh gehabt haben kann, untersucht wurde. Auch das zeige, dass er nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Matratze, auf der er gefesselt war, anzuzünden.

Auch die Sachverständigen, die sich im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dessau zuletzt mit dem Tod Oury Jallohs beschäftigt haben, hielten die Verwendung von geringen Mengen Brandbeschleuniger für wahrscheinlich. Der Generalstaatsanwalt stellte dies zunächst anders dar und stellte das Verfahren schließlich ein.

Hier zeigen sich die doppelten Standards, mit denen im Fall Oury Jalloh immer wieder gearbeitet wird: Sowohl die Annahme, Oury Jalloh habe sich selbst getötet, als auch die Vermutung, dass er getötet wurde, sind Thesen. Diese können auf der Basis von Gutachten, Brandversuchen, toxikologischen Untersuchungen überprüft werden – einen juristischen Schuldbeweis können sie kaum liefern. In der Gesamtschau der Gutachten sprechen bedeutend mehr Fakten für die Mordthese. Dennoch wird die Annahme, dass Oury Jalloh getötet wurde, als nicht bewiesene Vermutung abgetan, während die Aussage, er habe sich selbst angezündet, als gerichtsfeste Wahrheit dargestellt wird.

Für die Fraktion DIE LINKE ist klar: Dieses Gutachten muss ernst genommen werden. Die Behauptung, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet, war auch bisher weder belegbar, noch belegt. Mit diesem Gutachten ist sie endgültig nicht zu halten. Der Generalbundesanwalt wäre schon lange die richtige Stelle, um die Ermittlungen zu führen. Erneut fordern wir, dass er sich dem Fall annimmt.

Politisch zeigt dieses Gutachten: Aufgeklärt ist hier noch lange nichts. Ein Untersuchungsausschuss ist und bleibt notwendig – gerade wenn man, wie bisher immer wieder vorgebracht, davon ausgeht, dass ein juristisches Verfahren möglicherweise mangels Zeug*innen-Aussagen und der fehlerhaften und nicht zu korrigierenden Tatortarbeit keine Verurteilung hervorbringen würde.

Nach intensiver Debatte in der heutigen Fraktionssitzung ruft die Fraktion DIE LINKE die SPD Sachsen-Anhalt erneut dazu auf, den Weg für einen Untersuchungsausschuss freizumachen. Nur so kann politische Aufarbeitung beginnen, nur so können wir unserer Verantwortung gerecht werden.«