Gunter Schneider: Einige Gedanken zum Ausgang der Landtagswahlen

Gunter Schneider, Vorsitzender des Kreiswahlbüros
Kreisverband Burgenlandkreis

Liebe Genossinnen und Genossen,

diese Gedanken sind aus meiner persönlichen Sicht aufgeschrieben, sie haben nicht den Anspruch, eine Wahlanalyse zu sein, vielmehr geht es um meine persönlichen Sichten aus der Perspektive des Kreiswahlbüros.

Ich nehme für mich nicht in Anspruch, sofort die Ursachen für dieses Wahlergebnis zu wissen und „Schuldige“ zu benennen. Dazu bedarf es viel gründlicherer Analysen, viel gründlicherer Überlegungen, als in der Kürze der Zeit gemacht werden konnten

Überhaupt bin ich der Meinung, wir sollten richtigerweise kritisch, aber sachlich mit den Ergebnissen umgehen, die analysierten Fehler benennen, notwendige Schlussfolgerungen ziehen,  uns aber davor hüten, gegenseitig zu „zerfleischen“.

Ich jedenfalls  habe zurzeit mehr Fragen, als Antworten und bin mir darüber im Klaren, einfache Antworten wird es nicht geben. 

Eines behaupte ich aber: Auch wenn wir noch mehr Plakate gehängt hätten, diese auch anders gestaltet gewesen wären, wenn wir noch mehr Wahlmaterial verteilt , auch noch mehr Infostände durchgeführt hätten, zeitiger mit den Veranstaltungen begonnen hätten, noch mehr Wahlanzeigen geschaltet hätten - das Alles hätte unser Wahlergebnis kaum beeinflusst. Das soll nicht heißen, dass man über Dieses und Jenes nachdenken sollte, aber die Ursachen für die Verluste liegen woanders.

Erstens, dieser Wahlkampf war stärker politisiert, als bisherige Wahlkämpfe und diese Politisierung wurde mit dem alles überlagernden Flüchtlingsthema durch die Rechten im Lande, vor allem durch die AfD, erreicht. Es wurden Ängste geschürt, wurden die Armen gegen noch Ärmere ausgespielt, wurden die Obergrenzen und Grenzschließungen als Allheilmittel propagiert und diese Argumentationslinien wurden durch die CDU, zum Teil durch die SPD übernommen  Das hat u.a. dazu geführt, dass wir mit unseren humanistischen Anschauungen in der Flüchtlingsfrage gar nicht durchgedrungen sind. Viel mehr landeten Wählerinnen und Wähler, die einst aus Protest links wählten oder gar nicht zur Wahl gingen, jetzt bei einer Partei, die für die vielen sozialen Probleme im Lande vermeintlich Schuldige präsentierte, nämlich die Flüchtlinge.

Das wirft für mich einige Fragen auf, über die nachzudenken ist:

  • Haben wir die soziale Frage konsequent in den Mittelpunkt unseres Wirkens, auch des Wahlkampfes gestellt?
  • Sollten wir unsere Auffassungen zu Obergrenzen u. ä. Argumenten verändern? Hier sage ich zumindest, NEIN. Damit würden wir unsere humanistischen Grundlagen verraten, würden beliebig werden, in den Verdacht geraten, dass wir anderen hinterherlaufen, nur um Stimmen zu erlangen. Deshalb lehne ich auch die Auffassungen von S. Wagenknecht ab. 

Zweitens, ein Motiv für viele bisherige Nichtwähler dieses Mal zur Wahl zu gehen, bestand darin, mit der Wahlentscheidung für die AfD es „denen da Oben“ mal zeigen zu wollen, dass man mit der herrschenden Politik nicht mehr einverstanden ist.

Das wiederum wirft Fragen auf, über die nachzudenken ist:

  • Warum werden wir als Partei zu „denen da Oben“ gezählt?
  • Haben wir unsere Funktion als Alternative zur herrschenden Politik eingebüßt und wenn ja, warum? Haben wir verständliche Alternativen, die die Menschen überzeugen?
  • Werden wir nicht mehr als Kümmererpartei wahrgenommen, die sich um die Sorgen der Menschen sorgt, sich kümmert, auch um die Alltagsprobleme, wie einst die PDS?
  • Wie mobilisierungsfähig sind wir eigentlich noch?
  • Wie anziehend sind wir eigentlich als Partei für andere noch? ( Es ist zu befürchten, dass in der Auseinandersetzung um das Wahlergebnis wieder alte Gräben aufgerissen werden, in der Öffentlichkeit der Eindruck einer hoffnungslos zerstrittenen Partei entsteht, die sich nur mit sich selbst beschäftigt)

Drittens, ich habe den Eindruck, die Auseinandersetzung mit der AfD hätte offensiver geführt werden müssen, auch durch die Linke. Vor allem wird es notwendig sein, sich mit dieser Partei auf allen Ebenen argumentativ auseinanderzusetzen. Wenn diese Partei im Wahlprogramm den Mindestlohn als sozialistische Träumerei ablehnt, die Leiharbeit gutheißt, ein Steuermodell präferiert, das Reiche entlastet, ein Frauenbild propagiert, das Gleichberechtigung ablehnt, aus dem Euro raus will – dann sollte dem offensiv begegnet werden.

Zu unserem Wahlkampf in den Wahlkreisen 41, 42, 43

Nun könnte man nach dem Wahlergebnis zu der Schlussfolgerung kommen, wir hätten als Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer im Burgenlandkreis alles falsch gemacht. Das sehe ich allerdings nicht so – an uns hat es nicht gelegen, die Gründe liegen, wie oben versucht zu beschreiben, woanders. Was nicht heißen soll, es gibt nichts zu verbessern.

Deshalb an dieser Stelle an alle, die fleißig mitgewirkt haben, ein herzliches Dankeschön, selbstverständlich auch und ganz besonders an die KandidatInnen.

Das sind die Fakten:

40 000 Wahlzeitungen verteilt

200 Doppelplakate pro Direktkandidat gehängt

15 Großflächen ( davon 5 zerstört )

5000 Kurzwahlprogramme verteilt

1000 Postkarten pro Direktkandidat verteilt

1500 Kugelschreiber verteilt

500 Kondome

200 Feuerzeuge

3 kg Bonbons

540 Pfeffis

1000 Pappbecher

600 Wahltüten

2 Thermosbehälter

1000 Einkaufswagenchip

200 Brillenputztücher

200 Packungen Taschentücher

zusätzlich gekauftes Material ist hier nicht erfasst.

 

54 Infostände, davon 2 mit Kochtour

11 Promiveranstaltungen ( Ramelow, Bartsch, Tempel, Gallert, Knöchel, Claus )

3 Veranstaltungen mit R. Clemens

5 Wahlanzeigen im Wochenspiegel / Supersonntag / MZ

 

Hilfe organisiert aus Brandenburg, Gera, Jena, Sachsen

 

Erfahrungen, Probleme, Schlussfolgerungen

Die Installierung eines Wahlbüros und die Schaffung von Wahlkreisteams, Teamverantwortlichen hat sich bewährt. Durch die Teilnahme der BO-Vorsitzenden an den Beratungen sollten kurze Kommunikationswege gesichert werden, aber die Teilnahme war unzureichend. Damit wurden zusätzliche Kommunikationswege notwendig.

Bewährt hat sich die Arbeit mit dem Wahlkalender

Sehr hilfreich war die von Gen. Uske erarbeitete Kräfteanalyse und die Vorschläge zur Verteilung von Material

40 000 Wahlzeitungen waren zu wenig. Das führte u.a. dazu, dass mindestens in 18 Orten kein Material verteilt werden konnte, da keines mehr vorhanden war. Ich wage die Aussage, dass es es uns auch im nächsten Jahr gelingen würde, Wahlmaterial über eigene Kräfte zu verteilen. Das setzt allerdings voraus, dass lange genug vorher eine  Mobilisierung unserer GenossInnen stattfindet, dass mehr als dieses Mal sich aktiv beteiligen, konkret geplant wird, die Bereitschaft mehr ausgeprägt wird, auch über Wahlkreisgrenzen hinweg zu helfen und auch Hilfe aus anderen Strukturen organisiert wird. Das würde uns viel Geld sparen.

200 Doppelplakate waren zu wenig. Das führte dazu, dass wir vor allem in kleinen Orten nicht zu sehen waren. Dass es möglich ist flächendeckend zu Plakatieren, zeigen u. a. A. Czapek, die AfD und die NPD.

Von einem Jugendwahlkampf war nichts zu spüren. Zumindest eigenständige Aktionen sind nicht bekannt.

Sehr problematisch gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Wahlkreis 40. Hier gab es im Grunde keine Kommunikation aus Richtung Querfurt und auch nicht zum Direktkandidaten A. Fischer. Dadurch wurde vieles erschwert.

Nicht förderlich wirkten sich die Querelen um die Kandidatur der Direktkandidatin im Wahlkreis 41 aus. Es ist auch ein Novum, dass ein Kreisvorstandsmitglied auf der LandesvertreterInnenversammlung gegen die eigene Kandidatin spricht und damit erreicht, dass diese von Platz 11 auf der Landesliste auf Platz 17 rutscht. Das hat u.a. dazu geführt, dass es jetzt keinen Landtagsabgeordneten aus dem BLK gibt, was sich u. a. ausgesprochen negativ auf die Geschäftsstellenstruktur auswirkt.