Gemeinsame Stellungnahme

Naumburger Bündnis für Demokratie, Bündnis für Vielfalt und Demokratie Zeitz, Bündnis für Toleranz Weißenfels

zum Forderungskatalog der Bürgerbewegung „Die Bürgerstimme".

 

Die Bündnisse haben den Forderungskatalog der Bürgerbewegung „Die Bürgerstimme“ zur Kenntnis genommen. Wir möchten die Forderungen und Äußerungen nicht unkommentiert lassen. Seit längerem finden sogenannten Spaziergänge in den unterschiedlichsten Städten des Burgenlandkreises statt. Von den stillen Spaziergängen, die Anfang 2021 begannen und bei denen es gegen die Corona-Maßnahmen ging, ist mittlerweile nichts mehr übrig geblieben.

Wir möchten die Bürger*innen informieren und aufzeigen, dass die selbsternannten „Montagsdemos“ sich selbst immer mehr als antidemokratische und staatsdistanzierende Kundgebungen enttarnen.

Wie kommen wir zu dem Schluss?

Die reinen Spaziergänge sind schon lange keine mehr. Bereits seit Mitte 2021 erkennen wir immer stärker die Wandlung der Spaziergänge zu reinen Kundgebungen und Demonstrationen. Spaziergänge finden auf Gehwegen und nicht auf Straßen statt. Spaziergänger*innen machen nicht mit Bannern, Trommeln und anderen Klanginstrumenten auf sich aufmerksam. Lautstarke und aggressive Sprechchöre sind bei Spaziergängen unüblich. Spaziergänge müssen nicht angemeldet werden. Durch die Anmeldungen bei den Behörden widerlegen die Spaziergänger*innen selbst ihre Theorie, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung des Landes nicht mehr gegeben ist. In einem totalitären Staat wären die Spaziergänge nicht erlaubt. Nur in einer Demokratie sind Anmeldungen und Meinungsäußerungen dieser Art möglich.

Der Personenkreis der Spaziergänge setzt sich aus den unterschiedlichsten Berufs- und Altersgruppen sowie vielfältigen Lebensentwürfen zusammen. Aber immer mehr nehmen die offenen, radikalen, antidemokratischen und rechtsextremen Meinungsäußerungen zu. Wer von den Teilnehmenden behauptet, dies sei nicht so, scheint auf dem rechten Auge blind zu sein. Bei den eigenen vielfältig veröffentlichten Bild- und Textdokumentationen (u.a. Telegram, Youtube) sind die eindeutigen Anzeichen nicht zu übersehen:

- Slogans wie „…Freiheit, keine Diktatur“ sind bei rechtsextremen Aufmärschen ein beliebtes Stilmittel der Provokation

- das Filmen von Gegendemonstrant*innen ist von rechtsextremen Kundgebungen bekannt

- ebenso ist von AfD- und rechtsextremen Zusammenkünften bekannt, dass öffentlichrechtliche und regionale Pressvertreter*innen als „Lügenpresse“ bezeichnet/beschimpft werden

- Symboliken, die der rechten Szene zuzuordnen sind

- Zugehörigkeiten zu Parteien, die verfassungsrechtlich als rechtsextrem eingestuft und überprüft werden

- während der Spaziergänge verteilt die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ ihre Informationsflyer in Briefkästen entlang der Route

- Redebeiträge auf den Kundgebungen von NPD- und AfD-Mitgliedern sowie deren Sympathisant*innen, mit den gängigen antidemokratischen Wortlauten und eigener Parteiwerbung (teils auch indirekt)

- Beleidigungen von und Aufruf zu Gewalt an Politiker*innen

- Abwertung der Fachlichkeit u.a. von Forschung, Wissenschaft und Justiz

Auch wir sind nicht mit allen Corona-Maßnahmen einverstanden. Auch wir hinterfragen politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen sollte auf einer sachlichen und gewaltfreien Gesprächskultur basieren.

Der Forderungskatalog der Bürgerbewegung „Die Bürgerstimme“ bedient sich deutlich antidemokratischer und rechtsextremer Formulierungen. Als Beispiele wären zu nennen:

- Politiker*innen, die durch demokratische Wahlen gewählt sind, wird vorgeworfen, nicht die Mehrheit der Gesellschaft zu vertreten

- Forderung nach Pressefreiheit und Informationspflicht, aber deren Vertretungen im Gegenzug als „Lügenpresse“ bezeichnen - das Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz des Nationalsozialismus zu vergleichen spiegelt klar die Ablehnung der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes wider

- Begrifflichkeiten wie Volkszorn, Grundrechtseinschränkungen sind Begriffe, die oft in antidemokratischen Zusammenhängen zu lesen sind

Die Forderungen wurden scheinbar aus einer Befragung in sogenannten Bürgerforen verfasst. Auffällig ist, dass die Fragen so formuliert sind, dass die Ergebnisse im Sinne der Initiator*innen ausfallen. Die scheinbaren Antwortvorgaben haben auch selten Bezug zu den kritisierten CoronaMaßnahmen. Vielmehr lesen sie sich wie Wahlprogramme antidemokratischer Parteien. Die veröffentlichten Ergebnisse bestätigen eher, dass es den Veranstalter*innen bzw. Initiator*innen nicht um die Beendigung der Corona- Maßnahmen geht. Die Forderungen sind eher ein Beleg für eine allgemeine politische und persönliche Unzufriedenheit. Die Pandemie wird als Deckmantel genutzt, um eine Staatsdistanzierung und Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts herbei zu führen.

Zudem sei kritisch angemerkt, wer einen Forderungskatalog mit nichtdemokratischen Parteien erarbeitet und NPD-Redebeiträge bei den Bürgerforen bzw. Kundgebungen zulässt, sollte sich bewusst sein, dass dies kein Akt „wahrhaftiger Solidarität“ ist. Es trägt eher dazu bei, dass sich demokratische Politiker*innen an diesen Kundgebungen nicht beteiligen, wenn keine klare Abgrenzung von NPD, Der III. Weg und anderen rechtsextremen Kräften erfolgt.

Meinungsfreiheit und Toleranz heißt, zu akzeptieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung keinen Millimeter nach rechts rückt und sich klar gegen Diskriminierung, Gewalt, antidemokratische und rechtsextreme Einstellungen positioniert, indem sie sich nicht den Spaziergängen anschließen.

Auch wenn die Bündnisse des Burgenlandkreises nicht immer durch Gegenkundgebungen ein Zeichen setzen, heißt es nicht, dass die demokratischen Kräfte schweigend der Meinung der Spaziergänger*innen zustimmen. Es bedeutet auch nicht, dass die Spaziergänge die Meinungsmehrheit der Bevölkerung abbilden.

            Naumburger Bündnis für Demokratie

          Bündnis für Toleranz - gegen Rechtsextremismus und jede Gewalt Weißenfels

          Bündnis für Vielfalt und Demokratie Zeitz